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30 Jahre nach Ende der Diktatur: „Archiv des Terrors“ in Paraguay

Asunción. Jährlich wird am 3. Februar in Paraguay dem Ende der Diktatur Alfredo Stroessners gedacht. Ein Militärputsch besiegelte vor 30 Jahren, am 3. Februar 1989, das Ende seines 35-jährigen antikommunistischen Regimes. Damit ging zugleich eines der blutigsten Regime Lateinamerikas zu Ende – es bleibt jedoch alles andere als vergessen. Dazu trägt das international bekannte paraguayische Zentrum der Dokumentation bei, umgangssprachlich bekannt als „Archiv des Terrors“.

Grundlage des frei zugänglichen Archivs sind tausende umfangreicher Dokumente aus der Zeit der Diktatur, die zahlreiche Menschenrechtsverletzungen belegen. Sie umfassen unter anderem Fotografien, Befehle wie auch detaillierte Protokolle der Polizei zu politischen Gefangenen und ihrem Schicksal. Entdeckt wurden sie von einem Team unter dem Richter und jetzigen Direktor des Archivs, José Augustín Fernández. Dieser hatte Informationen zur Haft eines ehemaligen politischen Gefangenen in einer Polizeidirektion von Asunción gesucht und war zufällig auf die Dokumente gestoßen.

Insgesamt sind es wohl mehr als eine halbe Millionen Dokumente, die die Vorgehensweise unter Stroessner belegen. Darüber hinaus ermöglicht das Archiv einen sehr guten Einblick in die Verstrickungen des paraguayischen Militärs mit anderen damaligen südamerikanischen Militärregierungen im Rahmen des „Plan Condor“. Fernández sieht im Archiv des Terrors den Schlüssel zu der gelungenen Aufdeckung der militärischen Operation. Ohne das Archiv, so sagt er, wäre der Plan Condor sowie dessen Tragweite nie ans Licht gekommen. Es zeige nicht nur deutlich, was mit einzelnen Gefangenen geschehen ist und durch wen, sondern auch wie Informationen und Gefangene innerhalb der involvierten Militärregime von Chile, Uruguay und Argentinien ausgetauscht worden sind.

Dank der zufälligen Entdeckung des Archivs am 22. Dezember 1992 im Stadtteil Lambaré von Asunción begann daher sowohl die Aufarbeitung der Geschichte als auch der zahlreichen Schicksale von Paraguayern und vieler anderer Lateinamerikaner während Stroessners Militärdiktatur. Im Juni 2017 wurde das Zentrum der Dokumentation in das Nationalarchiv von Asunción integriert, um das Erbe der Diktatur einer breiteren Öffentlichkeit und auch Ermittlern zugänglich zu machen. Bis heute kommen noch viele Betroffene, um das Schicksal ihrer Angehörigen zu erfahren und Gerechtigkeit einzuklagen. Fortlaufend versuchen Ermittler mehr Licht ins Dunkel der Verbrechen zu bringen.

Eines der berühmtesten Beispiele ist die Verurteilung Augusto Pinochets, Chiles Diktator von 1973 bis 1990, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Diese Verurteilung war nur mit Hilfe der Unterlagen des Archivs möglich.
Das Regime Alfredo Stroessners herrschte vom 15. August 1954 bis zum 3. Februar 1989. Beendet wurde es durch einen Militärputsch, angeführt von General Andrés Rodriguez, der rechten Hand Stroessners. Nach Angaben der Kommission für Wahrheit und Gerechtigkeit wurden in Paraguay 19.862 Menschen gefangen genommen, 18.772 gefoltert, 236 Minderjährigen wurde die Freiheit verwehrt und 17 Kinder in den Gefängnissen geboren. 20.814 Menschen gingen ins politische Exil und 459 Paraguayer gelten als verschleppt. Insgesamt geht die Kommission von 128.076 direkten und indirekten Opfern des Regimes aus.

Von Friederike Schwarz
amerika21

Quelle: https://amerika21.de/2019/02/221988/aufarbeitung-diktatur-paraguay
Foto: Marta R. Zabaleta